Nachhaltige Investments bringen Transformation voran.

Die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität ist eine enorme Herausforderung. Da viele Unternehmen noch am Anfang ihrer „grünen“ Reise stehen, gilt es, sie umfassend zu unterstützen. Dr. Cornelius Riese, Vorstandsvorsitzender der DZ BANK, zeigt in seinem Beitrag für die F.A.Z., welche zentrale Rolle Kapitalgeber und nachhaltige Finanzprodukte dabei spielen.

Der Klimawandel ist als Thema zu wichtig, um auf scheinbar einfache Lösungen zu setzen“, schreiben die Professoren Krahnen, Rocholl und Thum in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 20. Juni 2021. Darin warnen sie, dass „die Begrenzung klimaschädlicher Emissionen […] über die Finanzsphäre nicht ohne Weiteres erreichbar“ sei. 

Dass die Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität eine Aufgabe ist, die in erster Linie von den realwirtschaftlichen Akteuren umzusetzen ist, steht außer Frage. Während nur ein kleiner Teil aller Unternehmen schon heute ein „tiefgrünes“ Geschäftsmodell hat, liegt die größte Herausforderung darin, die Wirtschaft in ihrer gesamten Breite bei der Transformation zu begleiten – vom Automobilhersteller über das Bauunternehmen bis zum Energieversorger. Dem Finanzsektor kommt die Aufgabe zu, das Kapital für diesen tiefgreifenden Umbau bereitzustellen oder zu mobilisieren. Der entscheidende Beitrag besteht darin, Unternehmen auf ihrem Weg von „braun“ zu „grün“ zu begleiten. 

Zutreffend ist auch, dass die Finanzbranche Veränderungen zum Positiven nur dann wirksam anstoßen oder beschleunigen kann, wenn sie vernehmbar dafür eintritt. Im Bereich der Kapitalanlage können dies vor allem aktive Fondsmanager tun, indem sie in einen Dialog mit den Führungsteams ihrer Portfoliounternehmen treten. Wer grüne Transformation anstrebt, sollte also ein Befürworter aktiven Fondsmanagements sein, wie der Beitrag von Krahnen et al. zu Recht nahelegt. 

Es bleibt jedoch zu ergänzen, dass viele Kapitalgeber schon heute erfolgreich ihren Einfluss geltend machen. So haben sich beispielsweise unter dem Dach des Carbon Disclosure Project (CDP) in diesem Jahr mehr als 150 Investoren und Asset Manager, darunter die Union Investment, mehr als 1.300 Unternehmen dazu aufgefordert, mehr und qualifiziertere Umweltdaten offenzulegen. Die sogenannte Non-Disclosure Campaign hatte damit eine Rekordbeteiligung von Investoren und veranlasste mehr Unternehmen als jemals zuvor dazu, transparent über Umweltbelange zu berichten. 

Es ist absehbar, dass die Finanzmärkte künftig noch stärker unter ESG-Aspekten Einfluss auf Unternehmen nehmen werden. Denn das in nachhaltigen Fonds verwaltete Kapital wächst kräftig. So hat das globale Volumen von ESG-Fonds im April den neuen Rekordwert von 1,4 Billionen US-Dollar erreicht. In Deutschland floss zuletzt mehr als die Hälfte des Neugeschäfts mit Aktienfonds in nachhaltige Produkte, vorwiegend aktiv verwaltete. Auch im Bankgeschäft sehen wir, dass die Kreditvergabe zunehmend von ESG-Aspekten beeinflusst wird, beispielsweise, indem die Wirkung der Kreditportfolien von Banken auf die Nachhaltigkeitsziele der UN offenzulegen sein wird. 

Eine zu geringe Nachhaltigkeitswirkung der Kapitalmärkte sollte daher nicht unsere Sorge sein. Eine ernstere Gefahr besteht darin, dass die Anforderungen schneller steigen, als viele Unternehmen – auch solche mit ambitionierten Nachhaltigkeitsplänen – ihre Transformation bewältigen können. Im schlimmsten Fall könnten industrielle Schlüsselbranchen von der traditionellen Kredit- und Kapitalmarktfinanzierung ausgeschlossen werden und in Richtung von atypischen Kapitalmarktteilnehmern wie Hedge-Fonds gedrängt werden. Viele unserer Gespräche mit Firmenkunden bestätigen diese Sorge.

Eine weitere Herausforderung liegt darin, dass vorhandene Ansätze der Messung und Steuerung von Nachhaltigkeit nur schwer vergleichbar sind und sich teils sogar widersprechen. Vereinfacht gesagt: Was den einen Investor überzeugt, mag der andere für kontraproduktiv halten. Die Offenlegung von Umweltdaten über internationale Organisationen oder auch die Herausbildung von Markstandards wie den Green Bond Principles der ICMA sind daher nur Zwischenschritte. Langfristig müssen umfassendere globale Normierungen des Nachhaltigkeitsbegriffs das Ziel sein. Häufig fehlt hier auch der zugrundeliegende gesellschaftliche Konsens, was als Nachhaltigkeits-fördernd angesehen wird und was nicht: Während Klimaschutz beispielsweise ein weithin akzeptiertes Ziel ist, variiert bereits die Einschätzung einzelner Energieträger deutlich, wie das Beispiel Atomkraft zeigt. 

Angesichts vieler offener Fragen ist es zu begrüßen, dass prägende Akteure wie die Bundesrepublik als Benchmark-Emittent der Eurozone an der Weiterentwicklung von „Sustainable Finance“ mitwirken. Dass die Haushaltspolitik anderen Logiken folgt als der Mittelverwendungsklausel einer grünen Anleihe, ist in einer Demokratie zunächst selbstverständlich. Aber gerade hier gilt im Blick nach vorn: Die Transformation, die der Staat von Wirtschaft und Gesellschaft einfordert, wird er perspektivisch in der Mittelallokation seines Haushalts auch selbst leisten müssen. Insofern erscheint die Emission einer grünen Bundesanleihe mit ihrem Vorbildcharakter für den Markt nachhaltiger Anleihen sinnvoll. 

Nachhaltige Finanzprodukte sind sowohl ein wirksamer Teil der Lösung bei der Transformation unserer Wirtschaft als auch ein bei Investoren gefragtes Instrument der Kapitalanlage. Insofern ist es sinnvoll, den Status Quo am Markt einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Allerdings ist auch anzuerkennen, mit welcher Dynamik die Akteure auf allen Seiten an einer kontinuierlichen Weiterentwicklung des Marktes arbeiten. 

Im Blick auf die nächsten Jahre werden dabei drei Dinge wesentlich sein: erstens, das verstärkte aktive Eintreten der Investoren für Veränderungen zum Positiven; zweitens, die Dosierung der Anforderungen auf eine für alle Schlüsselbranchen gesellschaftlich, ökologisch und ökonomisch verkraftbare Geschwindigkeit; drittens, die Arbeit an global tragfähigen Normierungen des Nachhaltigkeitsverständnisses.  

Autor: Dr. Cornelius Riese, Vorstandsvorsitzender DZ BANK (erschienen am 17. Juli 2021 in der FAZ)

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